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Wenn ich als Sexualtherapeut so meine Klienten – ob männlich oder weiblich – Revue passieren lasse, komme ich zu dem Ergebnis: Spießer können einfach keinen guten Sex haben. Und da viele Deutsche eine Gartenzwergmentalität besitzen, können wir Deutsche mit Sexualität auch nicht unverklemmt umgehen. Die Sexualtherapeuten wissen das.

Spießer üben Sex ritualisiert aus. Der muss immer zu bestimmten Tageszeiten, in ganz bestimmter Umgebung und gewohnter Art und Weise stattfinden – denn Sicherheit bedeutet ihnen alles. Sie selbst finden ihren Sex zwar monoton und würden auch gerne aus ihren Ritualen ausbrechen, aber sie sind Gefangene ihrer Gedanken. Ich kann ihnen im Gespräch nur Wege aufzeigen und Möglichkeiten bieten, merke aber, dass ich dadurch nur Ängste schüren kann. Mal Cunnilingus oder Fellatio wäre zwar schön, aber im nächsten Moment zucken sie zurück mit „ja, und dann….“. weil sie fürchten, die Situation nicht im Griff und beherrschen zu können.

Guter Sex hat dagegen etwas Unbekümmertes, das nicht auf ein bestimmtes Endergebnis ausgerichtet ist. Und Menschen mit einer solchen Grundeinstellung sind in hohem Maße neugierig und lernbegierig – sich selbst und den/die andere/n in wechselnden Situationen und mit vorher nicht festgelegtem Ablauf kennen zu lernen und ‚auszuprobieren‘. Sie handeln mir der Einstellung:“schaun wir mal…“ und werden dabei immer mehr sexuell-schlauer.

Die eigene Persönlichkeit kann man nämlich durchaus auch durch und mit Sexualität entwickeln. Allerdings muss die Grundlage dafür bereits in der frühen Kindheit gelegt werden. Eine Prägung auf Prüderie im Elternhaus wirkt als Erwachsener kontraproduktiv, locker mit Sexualität umzugehen. Wer seine Eltern als Kind nie nackt gesehen hat, lernt und weiß natürlich nicht, wie Nacktheit aussieht und wie sie sich ‚anfühlt‘. Spießertum ist als Einstellung nämlich vererblich und schwer abzulegen.